Kaum zu glauben, dass Laura Künzler gerade einmal 20 Jahre alt ist.
Dass die Aargauerin als eines der grössten Talente im Schweizer Frauenvolleyball
gilt, bezweifelt niemand. Im Portrait erfahren wir unter anderem, wie sie ihren
grössten Rückschlag weggesteckt hat, wie sie ihre Rolle als Nati-Captain sieht
und welche Farbe ihre Match-Unterwäsche hat.
Wuchtig. Laura Künzler im Cupfinal 2017. (Photo ©Markus Foerster / m-press)
Künzler als Captain des Nationalteams an der EM-Quali 2016. (Photo ©CEV)
Künzler punktet auch gegen starke Konkurrenz wie hier gegen Holland am
Montreux Volley Masters 2016. (©MVM)
Bereit für weitere Höhenflüge mit der Nati. (Photo ©CEV)
Familienmensch Laura Künzler (2.v.r.) mit ihren drei Schwestern (Photo zVg)
«Verantwortung übernehmen in der Annahme, am Netz und am Service Punkte
erzielen, mit dem Team Spass haben und das Match geniessen – genauso wie heute
will ich Volleyball spielen», sagte Laura Künzler trotz der knappen
2:3-Niederlage im dritten Playoff-Finalspiel gegen Volero Zürich. Dass sie als
Teamleaderin von Sm’Aesch Pfeffingen ein ganzes Stück jünger ist als einige
ihrer Mitspielerinnen, sei ihr auf dem Feld nicht bewusst. Auszeichnungen wie
diejenige zum «Best Swiss Player» der Saison 16/17 lösen bei der 20-Jährigen
hingegen mehr Emotionen aus: «Ich kann manchmal selbst kaum fassen, wie schnell
ich mich entwickle. Dieser Preis ist ein schöner Lohn für den grossen Aufwand,
den ich in den letzten Jahren betrieben habe. Dass ich ihn beim Cupfinal
entgegennehmen durfte, wo meine ganze Familie anwesend war, hat mich fast zu
Tränen gerührt.»
Das Team und die Familie als Rückhalt
Die
Familie ist ein zentrales Element im Leben von Laura Künzler. Auch wenn sie früh
alles auf die Karte Volleyball setzte und mit 16 Jahren vom Daheim im
aargauischen Neuenhof ganz alleine in eine kleine Wohnung beim Bahnhof Basel
zog, um in Aesch in der NLA Fuss zu fassen und gleichzeitig die Schule in Aarau
abschliessen zu können. «In einer Grossfamilie mit drei Schwestern wird man
vielleicht ein bisschen schneller selbständig, aber der Schritt nach Basel war
dann doch nicht ganz einfach. Ich bin ein eher zurückhaltender Mensch. Die
Stadt, das Team, das Zuhause – mein ganzes Leben war auf einen Schlag neu, da
fühlte ich mich zu Beginn ziemlich verloren», erinnert sich die Angreiferin.
Doch sie hat sich durchgebissen, dank dem elterlichen Rückhalt aus Neuenhof,
Zeit und der Unterstützung von Sm’Aesch Pfeffingen. «Viele tolle Menschen
engagieren sich dort im Hintergrund. In diesem familiären Umfeld wurde ich
schnell aufgenommen, ich fühlte mich mit jedem Monat wohler und so fiel es mir
immer leichter, meine Leistung abzurufen.» Auf jeden Fall habe sie sich
menschlich am meisten entwickelt, meint Künzler
rückblickend.
Vielleicht liegt es daran, dass die Aargauerin 1996
in den USA – dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten – geboren wurde, weil
ihr Vater im Rahmen seiner beruflichen Weiterbildung eine Zeit lang in Berkeley
lebte. Typisch schweizerisch waren die Aussagen des damals 16-jährigen Talents
jedenfalls nicht: «Die NLA ist nicht das höchste der Gefühle. Ich will als Profi
ins Ausland. Und ich will in der Champions League spielen.» Ein unbändiger
Wille, ihre Ziele zu verfolgen, gepaart mit einer grossen Portion Ehrgeiz – so
könnte man das Erfolgsrezept der 1.88 Meter grossen Frau bezeichnen. Selbst die
erste schwere Verletzung in ihrer Karriere hielt sie nicht auf. Nach einer
erfolgreichen Saison als Rookie mit Sm’Aesch Pfeffingen hatte sich Künzler so
darauf gefreut, im Europacup ihr Talent endlich auf internationaler Bühne zeigen
zu dürfen. Der Rückschlag kam in Spanien jedoch bereits im zweiten Satz in Form
eines mehrfachen Bänderrisses im Fuss. «Es war ein Schock, ich haderte noch
lange damit und hatte sogar Alpträume. Ich bin dann für ein paar Wochen zurück
nach Neuenhof gezogen, habe mit meiner Familie viel über meine Ängste gesprochen
und meine Mutter hat mich für jedes Spiel nach Basel zum Team gefahren. Das war
wichtig, sie haben mich enorm getragen und aufgemuntert in den drei Monaten, bis
ich endlich wieder spielen konnte.»
Gute Technik als Basis
Sie
habe damals gemerkt, wie wichtig Volleyball für sie ist, sagt die Aargauerin im
Rückblick. Sie habe einmal als Kindergärtnerin geschnuppert und sie könne sich
vorstellen, eines Tages beruflich in dieser Richtung tätig zu sein. Aber noch
nicht jetzt. Sie habe gelernt, geduldig zu sein und auf ihren Körper zu hören,
der generell viel Zuwendung brauche. «Ich muss sehr hart arbeiten, um mein
Muskelgerüst so aufzubauen, dass es den Belastungen mit den vielen Sprüngen und
Verschiebungen standhält.» Im Wachstum hätte sie mit Entzündungen gekämpft und
auch jetzt baue sich ihre Muskulatur nur langsam auf. Dafür profitiert Künzler
von ihrer guten Technik, die sie seit ihren allerersten Volleyball-Versuchen im
Alter von 9 Jahren von ihrer damaligen Trainerin in Neuenhof mit auf den Weg
bekommen hat. Vor Matches brauche sie einen klar strukturierten Tagesablauf mit
Morgentraining, Essen – die Volleyballerin kocht sehr gerne und probiert immer
wieder neue Rezepte aus – einer Ruhepause und dem Fokusaufbau danach. «Maja
Storck und ich spielen ausserdem immer in unserer pinkfarbenen
Sportunterwäsche», fügt sie schmunzelnd an. Ein kleines bisschen Aberglaube muss
also doch sein. Auf dem Spielfeld sei sie dann «sehr konzentriert und ein
absoluter Teamplayer». Sie spiele weniger mit dem Publikum, feiere dafür jeden
Punkt, egal ob er von ihr oder von einer Mitspielerin kommt, und versuche das
Team so mitzureissen.
Auch als Captain eine Leaderin
Generell
ist Künzler eine, die sich viele Gedanken macht, über ihre Rolle im Team oder in
der Nationalmannschaft. Dort wird sie ebenso wie im Klub von Timo Lippuner
trainiert, auf den sie grosse Stücke hält: «Er arbeitet akribisch und hat hohe
Ansprüche, von ihm werde ich gefordert und gefördert.» Mit 36 Länderspielen ist
die Aargauerin bereits die Erfahrenste. Als Captain wolle sie das junge Team
anführen und Verantwortung übernehmen. «Manchmal bin ich dadurch vielleicht noch
etwas verkram pft, die vielen jungen Spielerinnen im Team helfen mir aber, meine
Unbeschwertheit wiederzufinden», sagt sie.
Wie gross ihr Stolz ist,
Nationalspielerin zu sein, beweist nicht nur der Fakt, dass der Captain die
Nationalhymne immer mitsingt. Sie könne sich auch sehr genau an ihr erstes
Länderspiel erinnern. Nicht etwa, weil sie gleich auf Anhieb im Einsatz stand,
nein. «Ich spüre noch heute den Ärger, weil ich im entscheidenden Moment diese
eine Finte nicht mehr erreicht habe.» Irgendwie bezeichnend. Das war im Herbst
2013, Künzler war 16 Jahre alt.
2017 stehen für das Nationalteam wichtige
Turniere auf dem Programm, zuerst die WM-Qualifikation Ende Mai. «Wir haben eine
Hammergruppe erwischt. Spielerisch kommen wir den anderen Teams immer näher. Uns
bleibt nichts anderes übrig, als die fehlende Erfahrung mit einer Portion
Frechheit zu kompensieren. Dann schauen wir, was herauskommt.» Später folgt der
Heimauftritt am Montreux Volley Masters, worauf sie sich schon riesig freue. Und
im August dürfte sie bereits zum zweiten Mal an der Universiade teilnehmen. «Das
ist ein Riesending mit all den Athleten aus den anderen Sportarten, der
unglaublich grossen Mensa und so vielen Eindrücken, die man zu verarbeiten hat.
Diesmal weiss ich zum Glück schon, was auf mich zukommt.»
Der
logische Schritt ins Ausland
Danach wartet eine weitere grosse Veränderung
auf die junge Schweizerin. Nach den drei erfolgreichen Jahren in der NLA wagt
Künzler nun den Sprung ins Ausland, das steht bereits fest. Am liebsten
gemeinsam mit ihrem Freund, Leon Dervisaj von Volley Schönenwerd. Angebote aus
der Bundesliga und aus Italien liegen auf dem Tisch. Es ist der logische nächste
Schritt in ihrer Entwicklung. Doch genauso wohl überlegt wie sich die 20-Jährige
ausdrückt, soll auch dieser Entscheid gefällt werden. «Ich verspreche mir im
Ausland weitere Fortschritte. Und es tut mir sicher gut, wieder einmal ins kalte
Wasser zu springen.» Nach der Traumliga gefragt, wird nicht lange überlegt:
«Einmal in der türkischen Liga zu spielen, das wär‘s.» Kein Wunder, von dort
kommt schliesslich der aktuelle Sieger der Champions League. «Ich nehme Schritt
für Schritt», sagt Künzler. Aber wem, wenn nicht ihr, ist zuzutrauen, diesen
Traum eines Tages zu verwirklichen …
Timo Lippuner, Headcoach der Frauen-Nationalmannschaft, über Laura
Künzler: «Laura ist sicherlich eines der grössten Talente im Schweizer
Frauenvolleyball der letzten 10-15 Jahre. Sie ist vor allem in der Offensive
stark, wo sie in der NLA aber auch in der Nationalmannschaft wichtige Punkte
erzielt und viel Verantwortung übernimmt. In der Annahme hat sie bereits grosse
Fortschritte erzielt, in der Verteidigung kann sie sich auf jeden Fall noch
verbessern. Am wichtigsten ist aber der Umstand, dass sie ihre Zukunft im
Profivolleyball sieht und sich deshalb früher oder später ins Ausland
orientieren wird, genau solche Spielerinnen brauchen wir in der
Nationalmannschaft.»